(Rostock, Wismar, Berlin) Ihre Doktorarbeit zum Thema „Permanente Graffitisysteme auf Betonoberflächen im Außenbereich – Einfluss der Betongüte sowie der Betonoberfläche auf die Funktionalität und Dauerhaftigkeit von permanenten Anti-Graffiti-Systemen (AGS)“ hat die Wismarerin Sandra Jäntsch am Freitag, dem 12. Januar 2024, erfolgreich verteidigt. Diese Verteidigung fand an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock (AUF) statt. Während Prof. Dr. Dietmar Stephan von der Technische Universität Berlin, Fakultät VI – Planen Bauen Umwelt, als Gutachter online zugeschaltet war, waren Professorin Dr. Claudia von Laar, Hochschule Wismar, Fakultät für Ingenieurwissenschaften – Bereich Bauingenieurwesen, und Professor Dr. Henning Bombeck, Universität Rostock, AUF – Siedlungsgestaltung und ländliche Bauwerke, vor Ort in die Verteidigung eingebunden und konnten persönlich zur hervorragenden Abschlussnote „Magna cum laude“ gratulieren.
Beton und Anti-Graffiti-Systeme im Fokus
Illegale Graffitis sind oftmals an Häuserwänden oder Brückenbauteilen zu finden. Sandra Jäntschs 2017 begonnene Arbeit widmet sich den Bauwerken und Bauteilen aus Beton. Ihre Untersuchungen mit speziellen Langzeittests über 2,5 Jahre zeigen die unterschiedlichen Reaktionen auf das AGS und den Beton in Abhängigkeit vom Wetter, von der aufgetragenen Farbe sowie der Reinigung. Denn AGS verhindern nicht das Aufsprühen illegaler Graffiti. Sie sollen für eine einfachere Reinigung sorgen und das Eindringen von Farbmitteln in den Untergrund unterbinden. Die Bauingenieurin hat in ihrer Forschungs-arbeit gezielt nach Einflüssen der Betongüte sowie der Betonoberfläche auf die Funktionalität und die Dauerhaftigkeit von permanenten Anti-Graffiti-Systemen (AGS) gesucht. Dazu hat sie eine 8-stufige Untersuchungsmethodik entwickelt und diese auf 180 Betonprüfkörper angewandt. Es wurden die aus ihrer Sicht sehr wichtigen visuellen Kenngrößen wie Glanz und Helligkeit sowie der Benetzungswinkel oder der Wasseraufnahmekoeffizient als physikalische Kenngrößen bestimmt und ausgewertet. Jeder einzelnen Prüfkörper wurde dazu acht Bewitterungs- und Reinigungszyklen unterzogen. Da die Prüfkörper zur Bewitterung auf dem Dach des höchsten Gebäudes auf dem Wismarer Campus platziert worden waren, jedoch das Auftragen des AGS und die Reinigung umweltgerecht in den Laboren und auf dem Hof des Bereiches Bauingenieurwesen erfolgte, hatte Sandra Jäntsch allein für ihre Doktorarbeit rund 22 Tonnen Beton transportiert.
Sechs verschiedene Betonuntergründe, die sich in ihrer Betonart und -güte sowie Oberflächenbehandlung unterschieden, kamen zum Einsatz. Das heißt, dass pro Untergrund 30 Prüfkörper analysiert wurden. Da an Brückenbau-werken häufig Brettschalenoptik zu finden ist, hat Sandra Jäntsch extra für ihre Studie Prüfkörper in eben dieser Optik anfertigen lassen.
Als Graffitiprophylaxe wurden vier verschiedene permanente Systeme aufgebracht. Davon waren zwei Systeme den hydrophobierenden Impräg-nierungen und zwei den Beschichtungen zuzuordnen. Die vergleichenden Untersuchungen wurden sowohl an Originalprüfkörpern als auch an AGS-geschützten sowie -ungeschützten Proben durchgeführt.
Materialen entscheiden über Erfolg
Die Ergebnisse zeigen, dass die Funktionalität und Dauerhaftigkeit stark von der Oberflächencharakteristik aber auch der Art des Anti-Graffiti-Systems abhängt. Es muss davon ausgegangen werden, dass es auch in naher Zukunft kein „Einheitsprodukt“ gibt, welches auf jedem Untergrund uneingeschränkt und mit gleicher Wirkungsweise einsetzbar wäre.
Die aktuellen Vorgaben der nationalen Richtlinien für AGS zielen darauf ab, die Sicherstellung der Funktionalität und Dauerhaftigkeit von AGS auf einem vorgegebenen standardisierten Betonuntergrund zu prüfen – einer Betongehwegplatte. Hier setzt nicht nur die Kritik der Forscherin, sondern auch der Praktiker an. Denn nur äußerst selten sind Graffiti auf Fußwegen zu finden und auf weit mehr als nur einer Fassadenplattenart. Außerdem fließen derzeit fast ausschließlich die verwendeten AGS selbst in die Untersuchungen ein. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass dies nicht ausreicht. „Es ist unbedingt erforderlich, dass die Parameter der zu schützenden Betonoberfläche einfließen und oberflächenspezifisch ein AGS definiert wird. Dafür sollten zunächst die aktuellen Merkblätter und Richtlinien angepasst und letztendlich die jeweiligen Prüfverfahren geändert werden“, fast Sandra Jäntsch das entscheidende Ergebnis ihrer Arbeit zusammen. Und fügt hinzu: „Meine aus dem direkten Kontakt mit Herstellern resultierenden Erfahrung ist, dass auch sie dies wünschen.“
Der lange Weg zur Promotion
Sobald das kooperative Promotionsverfahren mit der offiziellen Übergabe der Doktorurkunde abgeschlossen ist, darf Sandra Jäntsch M. Eng. ihren Titel Doktor der Ingenieurswissenschaften, kurz Dr.-Ing., führen. Darauf hat die Absolventin des Masterstudienganges Bauingenieurwesen seit 2017 zielstrebig hingearbeitet. Dabei hatte sie als Jugendliche zunächst eine Ausbildung als Kauffrau für Groß- und Außenhandel absolviert und drei Jahre in diesem Beruf gearbeitet, bevor sie sich zum Bachelorstudium Bauingenieurwesen an der Hochschule Wismar eingeschrieben hat. Sowohl im Bachelor- als auch im anschließenden Masterstudium spielte Beton eine entscheidende Rolle. Professorin Dr. Claudia von Laar gab den Anstoß auch weiterhin wissenschaftlich an dem Thema dranzubleiben. Sie übernahm die fachliche Betreuung der Dissertation in Wismar. Praktische Unterstützung gab es durch die Labormitarbeiterinnen des Bereiches Bauingenieurwesen. Von den positiven Erfahrungen im Rahmen kooperativer Promotionsverfahren der Universität Rostock, hier namentlich denen Prof. Dr. Henning Bombecks, mit der Wismarer Hochschule für angewandte Wissenschaften, konnte auch die Doktorandin profitieren. Außerdem wurde ihr Vorhaben durch ein internes Promotionsstipendium der Hochschule Wismar unterstützt. Sandra Jäntsch nahm an speziellen Veranstaltungen der Wismarer Hochschule zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses teil, selbst als sie bereits außerhalb der Hochschule eine Arbeit aufgenommen hatte. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Nachbarländern Tschechin und Polen sowie im fernen Korea berichtete sie über ihre Forschungsarbeit. Eine besondere Hürde stellte die Corona-Pandemie für sie dar. Die notwendige Laborarbeit war aufgrund zeitweiser Schließungen nicht möglich und zunehmend traten Zweifel an der möglichen Erreichung des Ziels auf. Hier konnte der Mutter von drei Kindern durch die Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule geholfen und neue Motivation vermittelt werden, um die Herausforderung der gleichzeitigen Familien- und Forschungsarbeit erfolgreich meistern zu können. Sowohl ihre wissenschaftlichen als auch praktischen Erfahrungen möchte die 46-Jährige gern an den studierenden und forschenden Nachwuchs weitergeben und arbeitet nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern seit November 2023 dieses Jahres an „ihrem“ Bereich Bauingenieurwesen auf dem Gebiet der Technischen Gebäudeausrichtung/Verkehrswesen als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Teilzeit. Ihr Aufgabenbereich umfasst neben ingenieurtechnischen Untersuchungen, die Erstellung von Forschungsanträgen, die Mitwirkung an Forschungsprojekten und die Implementierung der Forschungsergebnisse in die Lehre.
Kontakt
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Sandra Jäntsch
unter Telefon: 03841 753–77 12
oder per E-Mail: sandra.jaentsch@hs-wismar.de