(Liverpool/Wismar) Fächergrenzen sind keine Grenzen: Mit ihrer Arbeit zur Mensch-Maschine-Interaktion ist die diplomierte Produktdesignerin Johanna Ender an der Liverpool John Moores University (LJMU) promoviert worden. Ziel ihrer Forschung war es, die mentale Belastung des Menschen bei der Zusammenarbeit mit Gelenkarmrobotern mit den Mitteln der Arbeitsplatzgestaltung zu minimieren. Betreut wurde Dr. Ender in den Ingenieurwissenschaften – an der LJMU sowie an der Hochschule Wismar.
Auf gute Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine
Industrieroboter sind robust und sehr ausdauernd. Sie können ohne Pause stundenlang dieselben Bewegungen ausführen und zeigen keine Ermüdungserscheinungen. Allerdings sind sie auch empfindlich: Wenn man ihren Bewegungsbereich stört, kann dies den Produktionsablauf beeinträchtigen und im Extremfall die Arbeitssicherheit gefährden. Dagegen helfen etwa Sensoren in den Achsen der Roboter oder verschiedene visuelle und akustische Signale als Warnzeichen – was die Zusammenarbeit mit ihnen wiederum zu einer Herausforderung macht. Genau hier setzt die Doktorarbeit von Johanna Ender an. Ihr Thema: die Gestaltung von Industriearbeitsplätzen zur Entlastung von Arbeitenden bei der Interaktion mit Gelenkarmrobotern („Design of Industrial Workplaces to relieve Workers when Interacting with Joint-Arm-Robots”). „Die Einführung von Robotern bringt zwar körperliche Erleichterung, schafft aber neue, mentale Stressfaktoren. Im Zentrum steht daher das Streben nach besseren Arbeitsbedingungen in der digitalisierten Industrie“, erläutert Ender die Motive ihrer Forschungsarbeit. Ausgehend von einem Produktionsszenario der Luft- und Raumfahrtbranche hat sie ein Arbeitsplatzsystem für Mensch-Roboter-Teams entwickelt, das auch auf andere Industrien übertragbar ist. Das System beinhaltet mehrere Komponenten, etwa ein Interaktionskonzept, das anstehende Aufgaben und den Aktionsradius des Roboters frühzeitig anzeigt und so den Produktionsablauf verbessert. Eine weitere Neuerung ist ein eigens entwickeltes Instrument zur Messung des Stresslevels, der bei Menschen durch die Zusammenarbeit mit Robotern verursacht wird. In einem entsprechenden Experiment hat die Wissenschaftlerin die Gehirnströme der Teilnehmenden aufgezeichnet, klassifiziert und mit den subjektiven Bewertungen der Beteiligten verglichen. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass durch eine unterstützende Arbeitsumgebung die mentale Belastung, die die Interaktion von Mensch und Roboter mit sich bringt, deutlich reduziert werden kann. Auf diese Weise lassen sich Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden der Arbeitenden und damit die Produktivität von Unternehmen steigern. Das ist eine wichtige Erkenntnis für Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik.
Faszination für die Verbindung von Design und Technik – für eine bessere Arbeitswelt
Nach der Online-Verteidigung ihrer Arbeit im Dezember 2020 erhielt Johanna Ender im März 2021 die offizielle Bestätigung des Doktortitels. Betreut wurde sie an der Liverpool John Moores University von Dr. Fang Bin Guo und Prof. Dr. Ian Jenkinson (Faculty of Engineering and Technology). An der Hochschule Wismar forschte sie im Produktionstechnischen Labor des Bereiches Maschinenbau/Verfahrens- und Umwelttechnik in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr.-Ing. Roland Larek. Der Maschinenbauingenieur mit dem Forschungsschwerpunkt Digitalisierung in der Produktion ist beeindruckt: „Die Arbeit zeigt sehr anschaulich, wie innovative Forschung durch internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit gelingen kann.“ Die Verbindung von Design und Technik zur Gestaltung menschenfreundlicher Arbeitsplätze hatte Dr. Ender schon während ihres Produktdesignstudiums an der Hochschule Wismar fasziniert. Für die in ihrer Diplomarbeit entworfene „Leitwarte 4.0“ war sie 2017 mit dem Gottlob-Frege-Preis der Hansestadt Wismar und 2018 mit dem Innovationspreis des Förderkreises der Hochschule Wismar ausgezeichnet worden. Zudem hatte sie 2019 mit ihrem Beitrag „Release the Beast – gegen Käfighaltung von Robotern“ den Science Slam der Hochschule gewonnen. „Zusammenarbeit, die Grenzen überwindet, kann uns in eine bessere Zukunft führen. Ich danke allen Menschen, die diese Ansicht teilen und die mich in den vergangenen Jahren so tatkräftig unterstützt haben“, so Ender. Dazu zählten etwa die Forschungsgruppe Computational Engineering and Automation der Fakultät für Ingenieurwissenschaften sowie der Frauenförderpool der Hochschule Wismar. Drei Jahre lang, von Juni 2017 bis Mai 2020, war die Wissenschaftlerin Promotionsstipendiatin der Hochschule. Finanziell gefördert wurde sie auch von der Walther Blohm Stiftung für den Nachwuchs in der Luft- und Raumfahrttechnik.
Einen ersten Eindruck von der Größe und Funktionalität des Prototypen, der im Rahmen der Doktorarbeit entwickelt wurde, vermittelt ein kurzes Video: https://youtu.be/m7bKN1_j0l8
Die Doktorarbeit von Johanna Ender wurde auf der Website der Liverpool John Moores University bereitgestellt:
http://researchonline.ljmu.ac.uk/id/eprint/14557/
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